Wenn ein Soziologe die “Entstehung und Entwicklung sozialer Ungleichheiten” und die “Einbeziehung beziehungsweise Ausgrenzung von Personen in die globalisierten Funktionssysteme der modernen Gesellschaft” untersucht, muss man sich auf das Schlimmste gefasst machen:

„[…] Weltgemeinschaft meint, dass hier ein System entsteht, ein Kontext, in dem sich künftig und in der Gegenwartssituation die Produktion und die Reproduktion von Ungleichheiten vollzieht. Weil, das ist ja der Hintergrund dieser registrierten Befunde: Ungleichheit ist jetzt ein System der Erzeugung von Unterschieden, das [sic!] erstmals in der Geschichte als ein weltweites System operiert.‟

Das glaubt jedenfalls ein Soziologe namens Rudolf Stichweh. Der Vortrag, dem dieser Passus entnommen ist (bei Minute 12:48 – 13:08), ist bereits zehn Jahre alt, aber symptomatisch für das sozialistische Denken, das an den geisteswissenschaftlichen Fakultäten deutscher Universitäten vorherrscht, und somit noch aktuell.

Stichweh leitet seine These wie folgt her: Während Asien und Afrika vor einigen Jahrzehnten noch etwa gleich arm waren, ist Asien heute bekanntlich sehr viel reicher, Afrika hingegen stagniert – Asien und Afrika waren vorher gleich, jetzt sind sie ungleich. Nun muss der Soziologe der von ihm diagnostizierten Ungleichheit nur noch ein “System” unterstellen und fertig ist die soziologische Theorie.

Tatsächlich ist die Theorie von einem weltweit operierenden System der Erzeugung von Unterschieden schon deshalb Mumpitz, weil Stichweh gar nicht erst auf den Gedanken kommt, dass der wachsenden Ungleichheit auf der einen Seite eine wachsende Gleichheit auf der anderen gegenübersteht: Die Unterschiede zwischen Asien und Afrika sind grösser geworden, die zwischen Asien und Europa dagegen kleiner. Asien hat zu Europa aufgeschlossen.

Hier kristallisiert sich das ganze Elend des sozialistischen Denkens deutscher Akademiker. Witzig, dass Stichweh eine Professur innehat, die in völligem Gegensatz dazu nach einem der bedeutendsten liberalen Denker des 20. Jahrhunderts benannt ist: Ralf Dahrendorf.