Writing East and West

Tag: Rassismus

Der Fall Özil

Wenn ein Fussballer wie Mesut Özil zum Objekt von Rassismus wird, ist das scharf zu verurteilen. Hier kann er voll und ganz auf meine Solidarität zählen. Was jedoch den ganzen Rest seiner aktuellen Stellungnahme angeht, die er anlässlich der sich zuspitzenden Kontroverse um seinen Besuch beim türkischen Präsidenten Erdogan abgegeben hat, so vermag sie nicht zu überzeugen.

Rassismus und psychische Depressionen in der arabischen Welt

Rassismus und Depressionen sind ernste Themen. Hier geht es aber nicht um diese Probleme als solche, sondern um den Umgang mit ihnen in der arabischen Welt, was natürlich etwas über deren Gesellschaften aussagt. Ein Beitrag von “Alhurra” sieht das Grundübel im Selbstverständnis, wie es in arabischen Ländern weit verbreitet ist: Wir sind die grossartigste Nation (umma) auf Erden, gegen die alle anderen sich verschworen haben.

Obwohl der Prophet selbst gesagt haben soll, dass es zwischen dem Araber und dem Nicht-Araber keinen Unterschied ausser in der Frömmigkeit gibt, so herrscht doch in der arabischen Welt ein virulenter Rassismus. Dieser Rassismus wird geleugnet, was nicht verwundert, aber viele leugnen ihren eigenen Rassismus mit Verweis auf besagten Spruch des Propheten.

Diese Leugnung erstreckt sich auch auf andere Gebiete, z.B. psychische Erkrankungen. Bei uns gibt es keine psychischen Depressionen, weil wir den Islam haben – so lautet eine weitverbreitete und sehr bequeme Einstellung. Der Islam ist eine grossartige Religion, da kann es so etwas nicht geben. Depressionen gibt es nur im Westen und zwar deshalb, weil der Westen spirituell verarmt ist.

Der Autor des Beitrags, Abdalhafiz Sharaf, weist darauf hin, dass das natürlich Unsinn ist. Der Westen stellt sich den Problemen seiner Gesellschaften, erforscht Phänomene wie Rassismus und psychische Depressionen und erfasst diese in Statistiken. Die arabisch-islamische Welt hingegen lebt in der Illusion, dass es nichts zu erforschen und zu debattieren gibt. Das ist der Unterschied und dieser Unterschied hat Auswirkungen.

Denn eine solche Einstellung bedeutet nicht nur, dass keine Forschung zum Thema stattfindet, sondern dass Menschen, die an Depressionen leiden, stärker als im Westen gehemmt sind, sich anderen Menschen anzuvertrauen. Schlimmer noch: Wer über psychische Depressionen oder andere heikle Themen spricht, so die gängige Überzeugung, ist verwestlicht, hat sich der eigenen Gesellschaft entfremdet und versucht nur, die arabische bzw. islamische Kultur schlechtzumachen.

Ein Freund von mir, den ich aus meiner Zeit in Syrien kenne, leidet nun als Flüchtling in der Türkei unter beidem: Unter psychischen Depressionen wie unter dem Rassismus der Mehrheitsgesellschaft. Heute schrieb er mir (wie passend zu dem Beitrag in “Alhurra”), wie sehr syrische Flüchtlinge in der Türkei gegängelt werden und wie man sie permanent spüren lässt, dass sie dort unerwünscht seien. Gestern ging er zur Apotheke, um sich sein Medikament abzuholen, doch war das Haltbarkeitsdatum, wie er hinterher feststellte, abgelaufen. Darauf angesprochen, erwiderte der Apotheker, niemand könne beweisen, dass das Medikament vom ihm sei und warf ihn hinaus.

Der Konformitätsdruck ist, wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe, das zentrale Problem der muslimischen Gesellschaften, denn eine Gesellschaft, die ihre eigenen Probleme leugnet und sie unter den Teppich kehrt, wird immer politisch instabil und ökonomisch schwach bleiben. Ein Beitrag wie der von Sharaf kann daher nur auf einem Medium wie “Alhurra” erscheinen – einem arabischsprachigen Fernsehsender, der seinen Sitz in den USA hat.

Genau aus diesem Grund muss er freilich Propaganda sein und Teil der Verschwörung gegen den Islam.

Bilder im Kopf

Man weiss es ja nicht so genau. In jedem von uns kann ein rassistisches Monster stecken, das unsere Gedanken kontrolliert, ohne dass wir es merken. Gut, dass es die “Campus”-Beilage der “Zeit” gibt. Diese hat einen putzigen Fragebogen entwickelt, mit dem sich jeder gewissermassen selbst auf den Zahn fühlen kann.

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