Writing East and West

Category: Welt und Sprache

Lasst uns Chinesisch lernen! 一起学中文吧!

Seit zwei Jahren lerne ich wieder intensiv und täglich Chinesisch, nachdem ich es vor vielen Jahren schon einmal begonnen hatte. Fremdsprachen sind, neben ein paar anderen Dingen, nun einmal meine grosse Leidenschaft und da wir in einer digitalisierten Welt leben, bietet es sich an, vollständig mit online verfügbaren Materialien zu lernen.

Chinesisch kommt ohne Konjugation und Deklination aus und ist nicht schwer zu erlernen. Allein die Schrift ist komplex, die einzelnen Zeichen bestehen jedoch aus immer wiederkehrenden Elementen und ändern sich nicht mit der Stellung im Satz. Überhaupt ist Chinesisch eine Sprache mit Zukunft und ich habe keinen Zweifel, dass die Sprache international an Bedeutung zunehmen wird.

YouTube bietet eine Anzahl wirklich sehr guter Kanäle, die die chinesische Sprache vermitteln. Dabei lernt man auch viel über Alltagssprache, nicht nur ein steriles Schulbuchchinesisch. Wer Lust hat, Chinesisch zu lernen, dem möchte ich folgende Kanäle empfehlen, die alle kostenfrei zugänglich sind:

Mandarin Corner [Link]

Mandarin Corner bietet sowohl eine systematische Vokabelvermittlung mit Beispielen für alle Lernstufen als auch ein Chinesisch, wie man es auf der Strasse spricht: Dazu unterhält sich die Moderatorin mit Menschen über verschiedene Themen, die unvorbereitet in die Kamera sprechen. Das ganze gibt es mit einer dreifachen Untertitelung: In Chinesisch, in Pinyin (der amtlichen Lateinumschrift) und in englischer Übersetzung. Dabei werden immer wieder auch heikle gesellschaftliche Themen angesprochen. Kostprobe:

Grace Mandarin Chinese [Link]

Der Kanal der Taiwanesin Grace Guo ist eher für Fortgeschrittene geeignet. Bei ihr lernt man anhand von Dialogen chinesischsprachiger Filme umgangssprachliche Wendungen wie “etwas auf den letzten Drücker machen” oder “das Unglück herbeireden” oder “jemandem eine kalte Dusche verpassen”. Kostprobe:

Down to Earth Chinese [Link]

In diese Kategorie fällt auch der neue Kanal “Down to Earth Chinese”. Etwas albern gemacht, aber sehr informativ. Es handelt sich um den Zweitkanal eines Kanadiers namens Jared, der die Sprache absolut flüssig beherrscht. Kostprobe:

Wer übrigens die chinesischen Zeichen lernt, sollte auch die Strichreihenfolge beachten. Mit der Zeit bekommt man ein Gefühl dafür und weiss auch bei neuen Zeichen, wie die Reihenfolge wahrscheinlich sein muss, aber für alle Fälle kann man sie sich auf eigens dafür eingerichteten Webseiten wie Strokeorder.info [Link] anzeigen lassen.

Und was sonst noch? Nun, wer sich für den Alltag im China von heute interessiert, wird sich ebenfalls mit diversen Kanälen sehr gut bedient sehen. Manche werden von Ausländern betrieben, die zum Teil schon viele Jahre in China leben und fliessend Chinesisch sprechen:

Thomas 阿福 [Link]

Der Deutsche Thomas “Afu” Derksen ist mit einer Chinesin verheiratet und produziert Videos, die ebenso witzig wie informativ sind, z.B.:

Blondie in China [Link]

Die Australierin Amy Lyons hat viele Gegenden in China bereist und spricht sehr gut Chinesisch. In einem bemerkenswerten Video berichtet sie von einem “Drifting Theatre” in Wuhan:

Living in China [Link]

Den von dem Engländer Jason Lightfoot betriebenen Kanal kann ich zwar nur bedingt empfehlen. Lightfoot scheint nur wenig Chinesisch zu sprechen und ist vor der Kamera gerne etwas, nun ja, grossmäulig. Zudem ist er ein Apologet, wenn nicht sogar Unterstützer der chinesischen Regierung. Die BBC hat ihn der Desinformation bezichtigt. Man sollte seinen Kanal daher kritisch sehen. Da er sich aber mit seiner chinesischen Familie dauerhaft in China aufhält und von vor Ort berichten kann, sind eine Reihe von Videos, die er produziert hat, durchaus sehenswert. Kostprobe:

Bei Gelegenheit werde ich diese Liste ergänzen.

Wer sich für chinesische und andere asiatische Kampfkünste interessiert, für den habe ich etwas besonderes:

The Martial Man [Link]

Der Brite Kieren Krygier lebt seit vielen Jahre in Fernost, wo er die Grossmeister der unterschiedlichsten Kampfkünste aufsucht, um sich von ihnen ihre Philosophie erklären zu lassen. Aussergewöhnlich! – Beispiel:

Also: 一起学中文吧!yīqǐ xué zhōngwén ba! – Lasst uns zusammen Chinesisch lernen!


Anm.: Geringfügig überarbeitet am 29. und 31. 10.2021.

Nachtrag 10. Nov. 2021

Strokeorder.info scheint abgeschaltet zu sein. Chinesehideout.com bietet Ersatz.

Nachtrag 20. April 2022

Hier noch drei wichtige Online-Ressourcen für Chinesisch:

Chinese Language Blog: Alltagsnahe Themen in Englisch mit chinesischer Vokabelhilfe – superb!

Standard Mandarin Weekly: Chinesische Texte zu aktuellen Themen mit Vokabelerklärungen per Mouseover und Vorlese-Funktion – fabelhaft!

Chinosity: Ein Projekt der amerikanischen “Asia Society”, das in englischer Sprache aktuelle Entwicklungen Chinas und des Chinesischen jenseits von Politik erklärt – exzellent!

Wie klingt noch mal Suzhou?

Sprechen Sie Ibanag? Oder Lampung? Wie wäre es mit Ma’anyan? Oder Maung? Aber doch bestimmt Shiqibo? Oder wenigstens etwas Songhai?

Es gibt einen hübsch gemachten Youtube-Kanal, der eine Übersicht über die wirklich exotischsten Sprachen und Dialekte bietet, die dieser Planet aktuell noch zu bieten hat.

Wer bislang Arabisch oder Chinesisch für exotische Sprachen gehalten hat, kommt bei “I love Languages” voll auf seine Kosten.

https://www.youtube.com/watch?v=IJMlquHsCg8
https://www.youtube.com/watch?v=WT1YltRIWgE
https://www.youtube.com/watch?v=73OyVp0kz_w

Sangalalani!

Bilder im Kopf

Man weiss es ja nicht so genau. In jedem von uns kann ein rassistisches Monster stecken, das unsere Gedanken kontrolliert, ohne dass wir es merken. Gut, dass es die “Campus”-Beilage der “Zeit” gibt. Diese hat einen putzigen Fragebogen entwickelt, mit dem sich jeder gewissermassen selbst auf den Zahn fühlen kann.

Französisch in Paris

Der CDU-Politiker und Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, Jens Spahn, regt sich im Interview mit der “Osnabrücker Zeitung” darüber auf, dass in manchen Lokalen Berlins die Bedienung kein Deutsch, nur Englisch spreche, und fügt hinzu: “Auf so eine Schnapsidee käme in Paris sicher niemand.”

Homer im Orient

Es ist bekannt, dass im Mittelalter (vor allem im Bagdad des 8.-10. Jhds.) arabische Gelehrte einen erheblichen Teil der griechischen wissenschaftlichen Literatur der Antike ins Arabische übersetzt haben, zum Teil anhand älterer Übersetzungen ins Syrische. Die Poesie hatte man damals ausgespart, weil sie einer paganen Lebenswelt entsprang, aber auch, weil Poesie als kaum übersetzbar galt.

Die poetischen Werke der griechischen Antike zu übersetzen wurde später, im 19. Jahrhundert, zu einem der wichtigsten Anliegen der sog. Nahḍa, d.h. der arabischen kulturellen Erneuerungsbewegung. Die Rezeption der griechischen Antike durch arabische Intellektuelle des 19. und 20. Jahrhunderts bildet einen der Schwerpunkte meiner Forschung (s. z.B  meine Aufsätze “Sulaymān al-Bustānīs Arabische Ilias” (2004) und “The Greek Classics in Modern Middle Eastern Thought” (2011) oder meine Monographie Arabischer Humanismus in der Neuzeit (2007).)

Höhepunkt der Übersetzungstätigkeit war die Ilias des Homer in einer arabischen Version, deren Verfasser Sulaymān al-Bustānī nicht nur Altgriechisch beherrschte, sondern auch diverse europäische Sprachen, sodass er auch den damaligen Stand der Homerforschung erarbeiten konnte. Im Vorwort seiner Übersetzung vermittelt er seiner Leserschaft Wissenswertes rund um die Ilias, wozu im weiteren Sinne auch die Frage gehört, ob die arabische Literaturgeschichte überhaupt so etwas wie epische Poesie, wozu auch die Ilias gehört, kennt.

Bustānīs Übertragung der Ilias ist ein herausragendes Werk der neueren arabischen Literaturgeschichte. Angeblich soll zuvor im arabischen Raum allein der im 8. Jahrhundert lebende Theophilos von Edessa die Ilias wie auch die Odyssee übertragen haben, wie der syrische Gelehrte Bar Hebraeus behauptete, jedoch nicht ins Arabische, sondern ins Syrische. Wenn es diese Übersetzungen jemals gegeben haben sollte, so sind sie heute verschollen.

Nun hat die British Library verschiedene Manuskripte der Ilias und der Odyssee digitalisiert und online zugänglich gemacht. Darunter befindet sich auch eine syrische Fassung. Die lange und vielfältige Wirkungsgeschichte der Homerischen Epen weiss auch heute noch zu faszinieren.

Zum koranischen “fī sabīl Allāh” (2)

Ein Nachtrag zum koranischen “fī sabīl Allāh” (Vorgeschichte s. hier), das uns in Sure 2:190 begegnet: وقَتِّلوا في سبيل الله الذين يقتِّلونَكم ولا تاعْتادوا إنّ الله لا يُحبُّ المعتدّينَ. Dass fī sabīl nicht “auf dem Weg” heisst, sondern “um … willen”, hatte ich bereits erläutert. Nicht allen Koranübersetzern scheint der Begriff jedoch geläufig zu sein, weshalb sie ihn fälschlicherweise wortwörtlich übersetzen.

So lässt das Wissenschaftsportal L.I.S.A. der Gerda-Henkel-Stiftung einen Experten zu Wort kommen, der andauernd etwas vom “Weg Gottes” erzählt (ab etwa 10:50). Eine schnelle Überprüfung ergibt, dass sich dieses Missverständnis auch z.B. in der Übersetzung von Henning findet: “Und bekämpft in Allahs Pfad …” (Henning, Leipzig 1979).

Richtig übersetzt wird die Stelle dagegen in den Übersetzungen der Ahmadiyya “Und kämpfet für Allahs Sache …” (Ahmadiyya, Frankfurt a.M. 1993) und bei Paret “Und kämpft um Gottes willen …” (Paret, Berlin et al. 1985; auch online.) Parets Übersetzung bleibt im deutschen Sprachraum autoritativ.

Alles nur Übungssache!

Wenn es so etwas wie Religion nicht gibt, wie Peter Sloterdijk meint, sondern nur Übung, “Anthropotechnik”, was müsste dann vorhanden sein, um sagen zu können, es gebe Religion? „Die effektivste Weise, zu zeigen, daß es Religion nicht gibt, besteht darin, selbst eine in die Welt zu setzen.“ Das ist witzig formuliert, sagt aber nichts aus.

Sloterdijks These ist letztlich nicht falsifizierbar, weil sie nirgendwo konkret wird, wenn es um eine schlüssige Definition von Religion geht. Wie denn auch, so der logische Zirkelschluss, es ist doch alles nur Übung, „Komplexe von innen und äußeren Handlungen, symbolische Übungssysteme und Protokolle zur Regelung des Verkehrs mit höheren Stressoren und ‚transzendenten‘ Mächten – mit einem Wort Anthropotechnik im impliziten Modus.“ Und was nicht vorhanden ist, kann auch nicht definiert werden.

Das wirft eine weitere Frage auf: Kann man sich eine Welt vorstellen, die ohne Übung, also ohne geregelte Abläufe auskommt, die einen erheblichen Teil unseres Lebens strukturieren? Wohl kaum. Die Moderne ist eben keine “Hyperscholastik”, weil in der Vormoderne das Leben des einzelnen sehr viel stärker geregelten Abläufen, Übungen also, unterworfen gewesen sein dürfte, als es heute der Fall ist.

Weil Spiridion Louys, Sieger des Marathonlaufs der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit 1896 das Wort Training bis dahin kaum gehört haben dürfte, wertet Sloterdijk dies als Beleg für seine These, „daß sich der größte Teil allen Übungsverhaltens in der Form von nicht-deklarierten Thesen vollzieht.“ Diese auf einer blossen Vermutung ruhende Schlussfolgerung aber ist fragwürdig: Das Wort Training mag unser Marathonläufer nicht gekannt haben, aber möglicherweise das entsprechende neugriechische Wort (προπόνηση).

Wo Empirie und Logik ins Hintertreffen geraten, wird der Weg frei für eine konservative Kulturkritik, so, wenn es heisst, dass der Beseelung der Maschine “strikt proportional” die “Entseelung des Menschen” entspreche. In Maschinen etwas anderes zu sehen als Maschinen, scheint vielen Kulturkritikern nicht möglich zu sein. Hier schlägt die Leugnung der Existenz von Religionen selbst in ein metaphysisches Weltbild um, wozu auch die Halluzination gehört, dass sich die Völker im „Weltvolk des Internets“ aufhöben, um sich in „Medienfitness” zu üben.

Doch das muss nicht bleiben, denn: „Die einzige Tatsache von universaler ethischer Bedeutung in der aktuellen Welt ist die diffus allgegenwärtig gewachsene Einsicht, daß es so nicht weitergehen kann.“ Eine andere Welt ist machbar. Ihr müsst nur fleissig üben.

Peter Sloterdijk: “Du mußt Dein Leben ändern”: Über Anthropotechnik. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2009.

Zum koranischen “fī sabīl Allāh”

Handlungen im Rahmen des Dschihad, schreibt der Historiker Joseph Croitoru, werden traditionell mit der Formel “Auf dem Weg Gottes” – fī sabīl Allāh – verbunden. [note]Joseph Croitoru, “Der Märtyrer als Waffe, Zur Funktion des Selbstmordattentäters als Märtyrer”, in: Tinte und Blut: Politik, Erotik und Poetik des Martyriums, hgg. von Andreas Kraß und Thomas Frank, Frankfurt a.M. 2008, 59-71, hier 69.[/note] Auch bei der Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur heisst es, dass Dschihad “sich Mühen auf dem Wege Gottes” – jihād fī sabīl Allāh – bedeute. [note]Katajun Amirpur, Den Islam neu denken: Der Dschihad für Demokratie, Freiheit und Frauenrechte, München 2013, 15.[/note]

Beide Male wird hier das arabische fī sabīl Allāh mit “auf dem Wege Gottes” übersetzt – und das ist falsch. Zwar ist sabīl das arabische Wort für “Weg”, doch fī sabīl bildet eine zusammengesetzte Präposition und lässt sich am besten mit “um … willen” wiedergeben; fī sabīl Allāh heisst daher soviel wie “um Gottes willen”, “Gott zuliebe” oder “für Gott”.

“Gott” (Allāh) verweist also nicht auf die Art und Weise, nach der der Dschihadist handeln zu müssen glaubt (das wäre Ketzerei), sondern bedeutet den höheren Zweck seines Tuns und dessen Rechtfertigung. Ein nicht geringer Unterschied.

 

 

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