In den Medien kommen gelegentlich Wissenschaftler zu Wort oder ist von Wissenschaftlern die Rede, die an einer Universität tätig sind. Da Journalisten Fachleute bevorzugen, die ein “Prof. Dr.” vor dem Namen haben und idealerweise auch noch Leiterin oder Leiter eines Instituts sind, fällt dann nicht weiter auf, worin die Qualifikation dieser Wissenschaftler eigentlich besteht.
Irgendwelche Titel oder Bezeichnungen (“Terrorismusexperte”) sind in ihrer Aussagefähigkeit jedenfalls begrenzt. Gerade wenn man aber Wissenschaftler befragt, also Leute, die in der Forschung tätig sind, dann hilft ein Blick auf die Publikationsliste, um sich einen Eindruck von der Qualifikation zu verschaffen. Die Publikationsliste ist vielleicht nicht das Non plus ultra, aber gewiss aussagekräftiger als “Prof. Dr.” oder “Leiter”.
Schaue ich dann im Internet nach, stelle ich immer wieder erstaunt fest, wieviele Leute in Deutschland eine Professur haben, ohne mehr als eine Doktorarbeit vorweisen zu können. Ich will hier keine Namen nennen. Jedenfalls nicht jetzt. Aber es fällt auf, dass in den Ausschreibungen für Professuren als Einstellungsvoraussetzung grundsätzlich eine Habilitation oder gleichwertige Leistungen verlangt werden, die bei vielen gar nicht vorhanden sind.
Diese Herrschaften versuchen diesen Umstand nun dadurch zu verdecken, dass sie in ihrer Publikationsliste Autorenschaften mit Herausgeberschaften vermischen. Das ist unseriös, mittlerweile aber üblich geworden. Wer dann auf die Mitarbeiterseite der entsprechenden Universität gelangt, der sieht eine lange Publikationsliste, die meistens am Anfang mit “Monographien und Herausgeberschaften” o.ä. rubriziert ist, worunter dann manchmal sechs oder sieben oder acht Titel aufgeführt werden.
Der unbedarfte Leser wird dann denken, wow!, da hat aber jemand fleissig publiziert, und glauben, es mit einem wissenschaftlichen Schwergewicht zu tun zu haben. Erst der zweite Block offenbart dann, dass von den acht Titeln sieben lediglich Herausgeberschaften sind, und die einzige selbst verfasste Monographie die Doktorarbeit ist.
Eine Herausgeberschaft, das muss man einmal deutlich sagen, ist keine wissenschaftliche Leistung, sondern lediglich ein Name auf einem Buchdeckel. Wer einmal eine Professur ergattert hat, hat auch die Mittel für die eine oder andere Tagung übrig oder wird jedenfalls in die Pflicht genommen, eine solche durchzuführen, woraus dann ein Tagungsband entsteht, den jemand herausgeben muss.
So gibt es also Leute in manchmal sogar hoher Position, die doch nur ewige Nachwuchswissenschaftler sind. Die Tatsache, dass es für Habilitationen keine den Doktorarbeiten vergleichbare Publikationspflicht gibt, macht die Sache nicht leichter durchschaubar, aber man kann davon ausgehen, dass jemand, der eine Habil eingereicht hat, sie in jedem Fall auf seiner Mitarbeiterseite nennen wird.
Ein Kollege von mir hatte sich vor längerem einmal auf eine Professur beworben, obwohl er weder eine Habilitation oder gleichwertige Publikationsleistung vorweisen konnte. Die Publikation seiner Doktorarbeit lag noch nicht lange zurück. Ob das ein Problem für die Bewerbung sei, fragte er seinen Doktorvater, der ihn daraufhin ermutigte, es einmal zu versuchen.
So tat er und wurde tatsächlich zu einem Vortrag eingeladen. Zwar hat er die Professur nicht bekommen, aber indem das Berufungsgremium ihn überhaupt zu einem Vortrag einlud, also in die engere Auswahl der Bewerber aufnahm, machte es deutlich, dass eine Habilitation oder gleichwertige Leistung nur auf dem Papier eine Einstellungsvoraussetzung ist. Man möchte gar nicht wissen, an wievielen Universitäten dies der Praxis entspricht.
Den Vogel schiesst ein Wissenschaftler ab, der an einer süddeutschen Universität eine Professur innehat, obwohl laut Mitarbeiterseite seine Doktorarbeit nicht veröffentlicht wurde und auch kein künftiges Erscheinungsdatum genannt wird. Das ist mit Sicherheit ein Verstoss gegen die Promotionsordnung, die meines Wissens an allen Universitäten eine Publikationspflicht vorsieht, damit man den Doktortitel überhaupt führen darf. Und ohne Doktortitel ist eine Professur, und sei es nur eine Juniorprofessur, ein Unding.
Was hat besagter Wissenschaftler also tatsächlich veröffentlicht? Wenn die Mitarbeiterseite aktuell ist, dann also nur einen Aufsatz. Einen einzigen Aufsatz. Damit kann man heutzutage schon Professor werden. Es gibt ja keine richtigen checks and balances an deutschen Universitäten, wozu sich also an die eigenen Vorschriften halten. Nachwuchswissenschaftler auf Professorenstühlen kennt man sonst aber nur aus einigen arabischen Ländern.