Eine Kleinigkeit muss ich heute noch loswerden. Es geht um das Journal of Contemporary Antisemitism. Eine feine Sache, dieses Journal, dessen Gegenstand von ungebrochener Aktualität ist und gerade deshalb auch der akademischen Aufmerksamkeit bedarf.
Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn mag auch der Antisemitismus in unzähligen Büchern und Artikeln thematisiert worden sein, so liegt der gegenwärtige Antisemitismus doch eher ausserhalb des akademischen Fokus. Denn der gegenwärtige Antisemitismus ist nicht zuletzt der israelbezogene und für den sind mitunter sogar Antisemitismusforscher blind.
Daher ist es kein Wunder, dass das Journal das weltweit erste seiner Art ist. (Etwa einen Monat später sollte mit den Antisemitism Studies erst das zweite Journal mit diesem Schwerpunkt erscheinen.) Ich hatte die Ehre, von Anfang an als Associate Editor dabei zu sein. Das war keine Selbstverständlichkeit, denn obwohl ich mich seit fast zwanzig Jahren mit dem Thema Antisemitismus befasse und auch dazu publiziert habe, gehöre ich auf diesem Gebiet nicht zu den profiliertesten Forschern. Aber es ist ein wichtiger Aspekt meiner Arbeit und so habe ich die Berufung dankbar angenommen.
Dank eines sehr engagierten Chefherausgebers, Clemens Heni, der für das Journal und dessen Forschungsgegenstand wirklich brannte, lief die Arbeit von Anfang an hervorragend. Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir im April 2016 in einer Kneipe in Kreuzberg zusammensassen und eine erste Liste mit potentiellen Beiratsmitgliedern erstellten. Clemens war voller Eifer bei der Sache und sein Enthusiasmus ansteckend.
Die Erstellung der ersten beiden Nummern, sofern das der ernsten Thematik angemessen ist, hat denn auch einen Heidenspass gemacht. Der Kreis der Associate Editors hatte sich mittlerweile von vier auf zwei verringert, aber das tat der Arbeit keinen Abbruch. Dann jedoch, bevor die zweite Nummer erschien, wurde dem Chefherausgeber gekündigt.
Ein Schock. Aus heiterem Himmel gekündigt. Warum? Das ist die Frage, die mich bis heute umtreibt. Der Verlag nannte einen formalen Grund, aber niemand von den Editors und keiner aus dem Beirat konnte diesen Grund auch nur im Ansatz nachvollziehen. Der Eindruck liess sich nicht abschütteln, dass es sich um einen Vorwand handelte.
Was aber sollte der wahre Grund sein? Weder die Expertise noch die geleistete Arbeit des Chefherausgebers wurden in irgendeiner Weise in Abrede gestellt. Aufhorchen aber liess, dass gleich nach der Kündigung zwei Forscher zu neuen Herausgebern ernannt wurden, die anfänglich noch dem Kreis der Associate Editors angehört hatten.
Ein Putsch von oben, eine feindliche Übernahme zweier Ex-Verbündeter? Ich weiss es nicht, aber die ganze Angelegenheit sieht danach aus. So haben es auch die anderen Herausgeber und der Beirat gesehen und daher sind wir geschlossen zurückgetreten. Allemal unwürdig, darin sind wir uns einig, ist die überhastete Art und Weise, mit der sich der Verlag von dem Chefherausgeber eines seiner Journale getrennt hat.
Das war es also. Eine Sache, die mit so viel Herzblut begann, hat nach kurzer Zeit ein unrühmliches Ende genommen. Wie lange das Journal of Contemporary Antisemitism noch weitergeführt wird, steht in den Sternen, denn die neuen Herausgeber müssen erst einmal Mitglieder für den Beirat finden, mit dem sie zusammenarbeiten wollen.
Das macht es nicht leichter, Abonnenten zu gewinnen, deren Zahl sich bislang auf drei Institute begrenzt. Dies ist zwar nicht ungewöhnlich für eine neugegründete Fachzeitschrift, zumal die Konkurrenz auch nicht sehr viel weiter ist. Aber das Journal hat es jetzt schwer.
Sollte ich den neuen Herausgebern alles Gute wünschen? Solange die Umstände dieses Personalwechsels unklar bleiben, halte ich mich zurück. Ich bin raus – und das ist auch gut so.