Jan Assmann, Heidelberger Ägyptologe und in der zweiten Phase seines publizistischen Schaffens Kulturwissenschaftler, ist u.a. für seine These von der (wie er sie nennt) “Mosaischen Unterscheidung” bekanntgeworden, die freilich viel Kritik auf sich gezogen hat und über die ich in meinem Buch Zwischen Religion und Politik (S. 60) schrieb:
… derzufolge die „Mosaische Unterscheidung‟ zwischen wahrer und falscher Religion einen eigenen Typ von Wahrheit begründet. Mag Guy Stroumsa dieser These auch Plausibilität zubilligen, so bleibt der Vorwurf bestehen, dass sie den Monotheismus insgesamt in Misskredit bringt. Assmann weist diesen Vorwurf zurück, da er in der genannten Unterscheidung eine Errungenschaft und keinen Rückschrittt sieht. Überdies bedeute eine solche Unterscheidung für das Judentum ohnehin nicht mehr als eine „Selbstausgrenzung‟ (Assmann) gegenüber seiner Umwelt, was an sich noch keine Gewalt zeitige.
Assmann geht in der Verteidigung seiner These schliesslich so weit zu behaupten, dass die „Mosaische Unterscheidung‟ Toleranz überhaupt erst möglich gemacht habe, insofern als diese nur gegenüber etwas gewährt werden könne, was der eigenen Auffassung widerspricht. Der antike Polytheismus hingegen habe keine Toleranz praktizieren können, weil die eigenen Götter gar nicht im Konflikt mit anderen Göttern gestanden haben. Das ist ein wenig um die Ecke gedacht, denn genausogut könnte man im Mangel an Konflikt einen Ausdruck von Toleranz sehen. Im Grunde aber befindet sich Assmann hier in guter Gesellschaft mit John Selden (1584-1654), der lange zuvor die Ansicht vertrat, dass nach rabbinischer Auffassung für Nichtjuden gar keine Veranlassung besteht, das mosaische Gesetz zu befolgen, folglich Gewalt um der Bekehrung willen keinen Anreiz im Judentum findet.
Ich bin jetzt erst dazu gekommen, Assmann Buch Exodus zu lesen, das ein Jahr zuvor erschienen ist. Dort schreibt Assmann ganz richtig, dass besagte These schon älter ist und führt sie auf David Hume (1711-1776) zurück, was uns hier aber nicht weiter interessieren soll.
Die Pointe liegt in Assmanns verschmitzter Endnote. Dort schreibt er mit Bezug auf die “Mosaische Unterscheidung”:
“Seltsamerweise wird sie in unserer geschichtsvergessenen Gegenwart als die umstrittene These eines Heidelberger Ägyptologen diskutiert.”
Herzig.