Heisst die Terrorgruppe, die derzeit die syrisch-irakische Grenzregion unsicher macht, nun ISIS oder ISIL? Letztlich ist das Haarspalterei, aber wenn man schon Haare spaltet, dann bitte richtig.
Das AP-Blog hat eine Stellungnahme zum Hausgebrauch veröffentlicht. Darin wird argumentiert, dass aš-Šām in der Eigenbezeichnung der Gruppe als “Der Islamische Staat in Irak und aš-Šām” (arab. ad-dawla al-Islāmīya fī al-ʿIrāq wa-š-Šām, abgekürzt Dāʿiš) am besten mit “Levante” statt mit “Syrien” zu übersetzen sei.
Doch genau das ist keine gute Übersetzung. Der Begriff “Levante”, für den es im Arabischen keine Entsprechung gibt, bezeichnete ursprünglich das gesamte östliche Mittelmeergebiet, wie man zahlreichen Reiseberichten des 18. und 19. Jahrhunderts entnehmen kann.((Vgl. mein Buch Das Ende des Levantinischen Zeitalters, Hamburg 2013, Fn. 21 S. 306.)) Die Levante meint aber nicht nur eine Region, sondern ist eng mit einer Epoche verbunden, die vom Aufstieg der Hafenstädte und damit von kultureller Vielfalt und Kosmopolitismus gekennzeichnet war.
Mit der späteren Transformation der Region in eine nationalstaatliche Ordnung wurden einstmals ethnisch und kulturell so gemischte Städte wie Izmir (Smyrna) oder Alexandria homogenisiert, die Epoche vor der nationalstaatlichen Transformation fortan verächtlich als “Levantinismus” geschmäht. Lediglich in Beirut und überhaupt im Libanon hat sich eine Ahnung dieses alten “Levantinismus” erhalten, sodass heute, wenn von Levante die Rede ist, damit meist der Libanon und zuweilen Syrien assoziiert werden.
Dagegen ist aš-Šām die alte Bezeichnung sowohl für Damaskus als auch für Syrien, wobei Syrien als Idee ursprünglich auch Palästina und Libanon einschloss, d.h. aš-Šām ist eine Teilmenge dessen, was historisch die Levante war.
Mag sein, dass die Terroristen des “Islamischen Staats in Irak und aš-Šām” auch Kleinasien und Griechenland beanspruchen, aber das dürfte kaum gemeint sein, wenn bei ihnen von aš-Šām die Rede ist. Denn die Stossrichtung ist eine andere und die heisst: Palästina. Deswegen vermeiden sie die Bezeichnung “Syrien” (Sūrīya, Sūriyā), weil sie ihre Aktivitäten nicht auf das Gebiet des heutigen syrischen Staates begrenzen wollen, sondern die Abschaffung des Libanon und Israels anstreben. Diese gelten als Teil von Grosssyrien – aš-Šām.
Fazit: Es geht nicht um die Levante, es geht um Grosssyrien – und damit ist ISIS die bessere Abkürzung.
(Dank an Andreas A. aus Bremen für den Hinweis auf die AP-Stellungnahme.)