Writing East and West

Tag: Islamismus

Islamwissenschaften und Islamismus – Artikel in der NZZ

Die aktuelle Diskussion über die Linke und den Islamismus habe ich in einem Beitrag für die NZZ um einen, wie ich meine, wichtigen Aspekt ergänzt, nämlich um das Verhältnis der Islamwissenschaften zum Islamismus.

Das Thema werde ich bei Gelegenheit vertiefen, denn meine Beobachtungen lassen sich auf auf angrenzende Fächer beziehen.

Mein Artikel “In der Verstehensfalle – ein grosser Teil der Islamwissenschaft kuscht vor dem Islamismus” ist hier frei zugänglich.

Vorankündigung: Islam und Reformation

Alle Interessentinnen und Interessenten bitte vormerken: Voraussichtlich Ende des Jahres wird bei Springer VS der Sammelband ISLAM UND REFORMATION erscheinen, an dem ich als Herausgeber, Autor und Übersetzer beteiligt bin. Meine Mitherausgeber sind Jörgen Klußmann (Ev. Kirche im Rheinland) und Aladdin Sarhan (LKA Rheinland-Pfalz).

Die einzelnen Beiträge stammen von profilierten Fachleuten aus dem In- und Ausland, darunter Martin Riexinger, Assem Hefny, Mona Abu Zaid, Jörn Rüsen, Mouhanad Khorchide, Marwan Abou Taam, Amel Gramy u.a.m. Sie gehen zum grössten Teil auf eine Tagung von 2016 zurück. Weitere Informationen gibt es zu gegebener Zeit an dieser Stelle.

Hier noch etwas für die gute Laune:

Woher kommt die Krise des Islam?

Die islamische Welt befindet sich in keinem guten Zustand. Warum das so ist, darüber hat sich schon mancher den Kopf zerbrochen. Der Religionswissenschaftler Michael Blume drängt in seinem Buch Islam in der Krise mit eigenen Thesen auf den Büchermarkt, die zwar nicht ganz zu überzeugen vermögen, sein Buch aber auch so zu einer durchaus angenehmen Lektüre machen.

Islamismus und Islam

Ein Historiker beklagt sich im “National Interest” über die einseitigen Wahrnehmungen des Islam im Weissen Haus. Während die Trump-Regierung ein generelles Misstrauen gegenüber dem Islam hegt, habe Obama das krasse Gegenteil geglaubt:

In 2011, for example, Tibi’s very important Islamism and Islam was published by Yale University Press, but it received scant attention in the general-interest reviews, in public discussion, or within the Obama administration. Yet whether Obama knew better or whether he was so much a product of the politically correct academy that he actually thought that the Islamic State had nothing to do with Islam …

Der Autor, Jeffrey Herf, bezieht sich in seinem Artikel mehrfach zustimmend auf Bassam Tibis “Islamism and Islam”, das von der amerikanischen Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen worden sei. Da mag er recht haben. Allerdings scheint er selbst das Buch nicht gelesen zu haben. Tibi selbst sagt nämlich explizit, dass Islamismus nicht Islam sei, so der Titel eines seiner Kapitel („Why Islamism is not Islam‟)! Darin heisst es:

In the case of Islamism, the religionization of politics means the promotion of a political order that is believed to emanate from the will of Allah and is not based on popular sovereignty. Islam itself does not do this. As a faith, cult, and ethical framework, it implies certain political values but does not presuppose a particular order of government.

Ähnlich hat er auch in anderen seiner Bücher argumentiert (z.B. in “Islam’s Predicament”). Ob man dem zustimmt oder nicht – Obama lag hier ganz auf einer Linie mit Tibi.

Islamismus ohne Islamisten

In Indonesien kamen Initiativen zur Anwendung der Scharia grösstenteils von säkularen Parteien, was wieder einmal zeigt, wie Shadi Hamid schreibt, dass Islamismus keine Sache allein von Islamisten ist:

„It is very difficult to have liberalism without liberals. Islamism, on the other hand, doesn’t necessarily require Islamists.‟[note]Shadi Hamid, Islamic Exceptionalism: How the Struggle over Islam is Reshaping the World, New York 2016, S. 32.[/note]

Der Karren der Modernisierung steckt tief im Morast.


 

ISIS oder ISIL?

Heisst die Terrorgruppe, die derzeit die syrisch-irakische Grenzregion unsicher macht, nun ISIS oder ISIL? Letztlich ist das Haarspalterei, aber wenn man schon Haare spaltet, dann bitte richtig.

Das AP-Blog hat eine Stellungnahme zum Hausgebrauch veröffentlicht. Darin wird argumentiert, dass aš-Šām in der Eigenbezeichnung der Gruppe als “Der Islamische Staat in Irak und aš-Šām” (arab. ad-dawla al-Islāmīya fī al-ʿIrāq wa-š-Šām, abgekürzt Dāʿiš) am besten mit “Levante” statt mit “Syrien” zu übersetzen sei.

Doch genau das ist keine gute Übersetzung. Der Begriff “Levante”, für den es im Arabischen keine Entsprechung gibt, bezeichnete ursprünglich das gesamte östliche Mittelmeergebiet, wie man zahlreichen Reiseberichten des 18. und 19. Jahrhunderts entnehmen kann.((Vgl. mein Buch Das Ende des Levantinischen Zeitalters, Hamburg 2013, Fn. 21 S. 306.)) Die Levante meint aber nicht nur eine Region, sondern ist eng mit einer Epoche verbunden, die vom Aufstieg der Hafenstädte und damit von kultureller Vielfalt und Kosmopolitismus gekennzeichnet war.

Mit der späteren Transformation der Region in eine nationalstaatliche Ordnung wurden einstmals ethnisch und kulturell so gemischte Städte wie Izmir (Smyrna) oder Alexandria homogenisiert, die Epoche vor der nationalstaatlichen Transformation fortan verächtlich als “Levantinismus” geschmäht. Lediglich in Beirut und überhaupt im Libanon hat sich eine Ahnung dieses alten “Levantinismus” erhalten, sodass heute, wenn von Levante die Rede ist, damit meist der Libanon und zuweilen Syrien assoziiert werden.

Dagegen ist aš-Šām die alte Bezeichnung sowohl für Damaskus als auch für Syrien, wobei Syrien als Idee ursprünglich auch Palästina und Libanon einschloss, d.h. aš-Šām ist eine Teilmenge dessen, was historisch die Levante war.

Mag sein, dass die Terroristen des “Islamischen Staats in Irak und aš-Šām” auch Kleinasien und Griechenland beanspruchen, aber das dürfte kaum gemeint sein, wenn bei ihnen von aš-Šām die Rede ist. Denn die Stossrichtung ist eine andere und die heisst: Palästina. Deswegen vermeiden sie die Bezeichnung “Syrien” (Sūrīya, Sūriyā), weil sie ihre Aktivitäten nicht auf das Gebiet des heutigen syrischen Staates begrenzen wollen, sondern die Abschaffung des Libanon und Israels anstreben. Diese gelten als Teil von Grosssyrien – aš-Šām.

Fazit: Es geht nicht um die Levante, es geht um Grosssyrien – und damit ist ISIS die bessere Abkürzung.

(Dank an Andreas A. aus Bremen für den Hinweis auf die AP-Stellungnahme.)

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