Die Mission im Islam ist ein zwiespältiges Phänomen, insofern als sie dem Koran eher fremd ist. Das arabische Wort für Mission, daʿwa, taucht zwar einige Male dort auf, doch nicht in dieser Bedeutung. Dennoch hat der Begriff daʿwa im Sinne von Mission eine längere Vorgeschichte und wird z.B. vom Historiker Ibn Khaldun als eines der Mittel bezeichnet, mit denen man ein neues Imperium gründet. Auch finden sich schon seit früher Zeit immer wieder meist heterodoxe Gruppen im Islam, die daʿwa betrieben haben.

Ansonsten war der Islam in seiner Eroberungsphase gar nicht daran interessiert, dass alle die gesamte unter unter seiner Herrschaft befindliche Bevölkerung zum Islam konvertiert. Schon Max Weber hat darauf hingewiesen, dass der Islam „eben keine universalistische Erlösungsreligion‟ ist, der gottgewollte Zustand vielmehr in der „Gewaltherrschaft der Gläubigen über die geduldeten Ungläubigen [besteht], und also die Gewaltsamkeit als solche kein Problem‟ darstellt.

Eine Mission im eigentlichen Sinne gibt es erst, seitdem christliche Missionsgesellschaften im 19. Jahrhundert in den islamischen Ländern aktiv wurden. In gewisser Weise ist das ein Fortschritt, insofern als die missionarische Verbreitung des Islam die kriegerische ersetzte. Legendär ist die Missionsschule  von Muḥammad Rašīd Riḍā, die am 14. März 1911 unter dem Namen Dār ad-daʿwā wa-l-iršād auf der Nilinsel Rōḍa bei Kairo eröffnet wurde. Heute sind es nicht zuletzt salafistische Gruppen, die in ihrer Überzeugung der Mission im Islam einen zentralen Wert beimessen.

Nun berichtete die Katholische Nachrichtenagentur KNA Ende September, dass der Präsident des Zentralkomitees deutscher Katholiken, Thomas Sternberg, sich dafür ausspricht, auf die Zusammenarbeit der Gesellschaft mit „frommen Muslimen‟ zu setzen, die am besten dazu geeignet seien, radikalen Strömungen im Islam das Wasser abzugraben – was freilich voraussetzt, dass es da einen tiefen theologischen Graben zwischen diesen einerseits und der sunnitischen Orthodoxie andererseits gibt.

Sei’s drum. Die Frage aber stellt sich, wie diese „frommen Muslime‟ es wohl mit der Mission halten mögen. Das ist deshalb relevant, weil in derselben Pressemitteilung ein Verzicht auf die Mission gefordert wird – nein, nicht etwa der islamischen Mission, sondern der christlichen. Diese nämlich sei für Muslime negativ besetzt (wegen der Kolonialzeit), wie sich ein islamischer Theologe beeilt zu erklären, und werde als „Bedrohung‟ empfunden, wie ein christlicher Theologe sekundiert, weswegen er als Begriff „nicht zu retten‟ sei. Die Christen müssten einsehen, dass Gott nicht ihr Stammesgott ist.

Dass Gott für alle da ist, haben die Muslime natürlich längst begriffen. Deswegen wird an sie auch nicht die Forderung herangetragen, doch bitte keine daʿwa zu betreiben. Schliesslich ist daʿwa bei uns nicht negativ besetzt und es gibt keinen Grund, islamischen Missionsbemühungen mit Skepsis zu begegnen. Willkommen im Paralleluniversum der interreligiösen Theologie!