Eine Replik auf „Zwei Staaten, eine Stadt – und keine Lösung‟ von Simone Paganini, Aachener Zeitung vom 29.12.17 [Link]

Jerusalem ist seit dreitausend Jahren zentraler Sehnsuchtsort des Judentums und in diesem, nicht etwa im administrativen, Sinne seit jeher Hauptstadt Israels. Mag sein, dass die israelische Antikenverwaltung zuweilen etwas optimistisch ist, was die Eiordnung archäologischer Funde angeht, doch ändert dies an der Bedeutung Jerusalems für das Judentum gar nichts.

Wenn der Theologe Simone Paganini in der Aachener Zeitung diese Stellung Jerusalems mit Rückgriff auf die Archäologie bestreitet, indem er „Hauptstadt‟ rein administrativ versteht, so ist dies ein Scheinargument, denn derart verstanden war Jerusalem natürlich nicht immer Hauptstadt. Aber sie war es immer in dem Sinne, Inbegriff dessen zu sein, wofür das Judentum steht.

So heisst es im (dem Talmud angefügten) sog. kleinen Traktat „Derech Erez Sutta‟ (9,6): „Abba Ise ben Jochnas im Namen Samuels, des Kleinen, sagt: Diese Welt gleicht dem Augapfel des Menschen: das Weisse in ihm entspricht dem Ocean, der die ganze Welt umströmt, das Schwarze (der Stern) in ihm ist die Erde, die Pupille Jerusalem, das Bild in derselben der Tempel, der in unseren Tagen und in den Tagen Israels bald erbaut werden möge!‟

Die Stadt war zudem nicht nur seit der Antike immer von Juden besiedelt, sondern auch immer wieder Ziel jüdischer Immigration. Im 13. Jahrhundert kam es zu einer Welle jüdischer Einwanderer aus Nordafrika und Europa, darunter dreihundert Rabbiner. Im 16. Jahrhundert berichtet uns der Fugger-Kaufmann Hans Dernschwam von einer jüdischen Bevölkerung rund um das Mittelmeer, unter der es in höherem Lebensalter üblich war, sofern man über genügend finanzielle Reserven verfügte, nach Palästina – und dort vor allem nach Jerusalem – auszuwandern.

Joshua renewing covenant with Israel” by Library of Congress/ CC0 1.0

Ein vergleichbarer Sehnsuchtsort ist Jerusalem für die (arabischen) Palästinenser nie gewesen, deren Recht auf Selbstbestimmung die arabischen Länder lange Zeit, bis weit nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967, gar nicht anerkannt haben. Der Anspruch der Palästinenser auf Jerusalem gründet allein darauf, Speerspitze der islamischen Welt zu sein, die den Tempelberg in muslimischen Händen wissen will. Dies freilich ist bereits jetzt der Fall. Das Areal, auf dem der Felsendom steht, word von Israel gar nicht beansprucht, sondern ist Teil der islamischen religiösen Stiftung (Waqf).

Seit einiger Zeit wird von palästinensisch-muslimischer Seite allerdings geleugnet, dass in Jerusalem jemals ein jüdischer Tempel gestanden habe, was den Eifer erklärt, mit dem die israelische Antikenverwaltung jüdische Ansprüche zu bekräftigen sucht. Letztlich ist das aber alles irrelevant. Denn im Islam ist Jerusalem nur deshalb von Bedeutung, weil es für die Juden von Bedeutung ist.

Dass die ursprüngliche Gebetsrichtung nach Jerusalem verlief, nicht nach Mekka, hat mit dessen zentraler Bedeutung für die Juden zu tun. Im Arabischen wird Jerusalem neben al-Quds auch Bait al-Maqdis genannt, was eine Lehnübersetzung des hebräischen Bait ha-Mikdasch ist (Haus des Tempels). Wohl darauf nimmt der Koran in Sure 17:7 Bezug, der Jerusalem freilich kein einziges Mal explizit erwähnt. Wenn in der frühen islamischen Literatur während der Umayyadenzeit Jerusalem hoch gepriesen wird, dann dürfte dies nicht zuletzt auf jüdische Konvertiten zum Islam zurückgehen.

Indem Herr Paganini behauptet: „Gerade unter den Muslimen wurde es den Juden wieder erlaubt, sich in Jerusalem anzusiedeln, was – wenngleich nicht immer ganz friedlich – grundsätzlich fast 1400 Jahre lang funktionierte‟, dann wird damit suggeriert, dass erst mit den Juden der Trouble um Jerusalem begonnen hat und es nicht schlecht wäre, Jerusalem stünde auch heute wieder unter islamischer Herrschaft. Das hätte die Hamas nicht besser formulieren können, die der Weltöffentlichkeit weismachen will, eine erneute islamische Vorherrschaft über Palästina sei gleichbedeutend mit gleichen Rechten für alle.

Zwar waren unter den Osmanen Jerusalem und Safad zu Zentren jüdischer Gelehrsamkeit aufgeblüht, doch blieben Nicht-Muslime immer Bürger zweiter Klasse. Auf dem 1931 abgehaltenen Panislamischen Kongress in Jerusalem war, wie man den Akten des britischen Foreign Office entnehmen kann, auch der Vorschlag gefallen, den Juden zu verbieten, am Tempelberg mit der angrenzenden Westmauer zu beten, was unter jordanischer Herrschaft (vor 1967) in die Praxis umgesetzt wurde.

Ansprüche von muslimischer Seite auf die Stadt Jerusalem sind letztlich Ausdruck eines islamischen Imperialismus, der jegliches Territorium als islamisch betrachtet, das einmal unter islamischer Herrschaft gestanden hat. Der islamische Anspruch auf Jerusalem ist daher nur der Vorgeschmack auf den Anspruch über das ganze Land bis zum Mittelmeer – wie es die radikalen Kräfte im Islam auch fordern.

Die archäologische Forschung gibt überdies nichts her, was die Behauptung, der muslimische (und dafür stellvertretend: palästinensische) Anspruch auf Jerusalem sei älter und damit höher zu werten als der jüdisch-israelische, stützen könnte. Versuche, die Herkunft der Palästinenser auf die vor-abarahmatische Zeit zurückzudatieren (so Mahmud Abbas), indem die biblischen Philister mit den heutigen Palästinensern gleichgesetzt werden, bedürfen ohnehin keiner weiteren Kommentierung.