Writing East and West

Tag: Religion

Iranian Secularism

I have been saying this for many years: secularism, or rather the idea of a predominantly secularist state, i.e. a state separate from organized religion, is not simply a Western idea that has no traction in societies in the rest of the world. A notable article in Aeon argues on behalf of Iranian secularism and why proponents of postcolonialist theory fundamentally misunderstand it:

Religionssoziologie auf Abwegen

Max Weber wollte verstehen, warum unterschiedliche Zivilisationen unterschiedliche Entwicklungspfade eingeschlagen haben und warum das, was wir „Moderne‟ nennen, eine Erfindung des Abendlandes ist. Einer der zentralen Begriffe in diesem Zusammenhang ist der der „Entzauberung‟, den der Soziologe Hans Joas in seinem Buch Die Macht des Heiligen einer gründlichen Kritik unterzieht. Darin will Joas einerseits den Weberschen Ansatz überwinden, Weber andererseits neu deuten.

Eine verschmitzte Endnote

Jan Assmann, Heidelberger Ägyptologe und in der zweiten Phase seines publizistischen Schaffens  Kulturwissenschaftler, ist u.a. für seine These von der (wie er sie nennt) “Mosaischen Unterscheidung” bekanntgeworden, die freilich viel Kritik auf sich gezogen hat und über die ich in meinem Buch Zwischen Religion und Politik (S. 60) schrieb:

… derzufolge die „Mosaische Unterscheidung‟ zwischen wahrer und falscher Religion einen eigenen Typ von Wahrheit begründet. Mag Guy Stroumsa dieser These auch Plausibilität zubilligen, so bleibt der Vorwurf bestehen, dass sie den Monotheismus insgesamt in Misskredit bringt. Assmann weist diesen Vorwurf zurück, da er in der genannten Unterscheidung eine Errungenschaft und keinen Rückschrittt sieht. Überdies bedeute eine solche Unterscheidung für das Judentum ohnehin nicht mehr als eine „Selbstausgrenzung‟ (Assmann) gegenüber seiner Umwelt, was an sich noch keine Gewalt zeitige.

Assmann geht in der Verteidigung seiner These schliesslich so weit zu behaupten, dass die „Mosaische Unterscheidung‟ Toleranz überhaupt erst möglich gemacht habe, insofern als diese nur gegenüber etwas gewährt werden könne, was der eigenen Auffassung widerspricht. Der antike Polytheismus hingegen habe keine Toleranz praktizieren können, weil die eigenen Götter gar nicht im Konflikt mit anderen Göttern gestanden haben. Das ist ein wenig um die Ecke gedacht, denn genausogut könnte man im Mangel an Konflikt einen Ausdruck von Toleranz sehen. Im Grunde aber befindet sich Assmann hier in guter Gesellschaft mit John Selden (1584-1654), der lange zuvor die Ansicht vertrat, dass nach rabbinischer Auffassung für Nichtjuden gar keine Veranlassung besteht, das mosaische Gesetz zu befolgen, folglich Gewalt um der Bekehrung willen keinen Anreiz im Judentum findet.

Ich bin jetzt erst dazu gekommen, Assmann Buch Exodus zu lesen, das ein Jahr zuvor erschienen ist. Dort schreibt Assmann ganz richtig, dass besagte These schon älter ist und führt sie auf David Hume (1711-1776) zurück, was uns hier aber nicht weiter interessieren soll.

Die Pointe liegt in Assmanns verschmitzter Endnote. Dort schreibt er mit Bezug auf die “Mosaische Unterscheidung”:

“Seltsamerweise wird sie in unserer geschichtsvergessenen Gegenwart als die umstrittene These eines Heidelberger Ägyptologen diskutiert.”

Herzig.

Weltbeziehungen

Religionen befassen sich nicht nur mit transzendenten Dingen, mit Ethik und Ritualen, sondern bringen in diesen Dingen wie auch darüberhinaus ein jeweils spezifisches Verhältnis zur Welt voraus, die ihrerseits dem Wandel der Zeit unterliegt.

Damit werden die Religionen relevant für die Politik und in diesem Spannungsfeld zwischen Religion und Politik entsteht das, was wir die Moderne nennen. Dieser Prozess ist kein stetig forschreitender, sondern unterliegt Rückschlägen sowie gegenseitigen Beeinflussungen und Irritationen. Das ist Thema meines Buches Zwischen Religion und Politik, wie es in der Beschreibung heisst:

Die Moderne zeichnet sich ab, als der Himmel aufhört, Projektionsfläche menschlicher Heilserwartung zu sein und sich die kulturelle Wahrnehmung auf das „kosmisch Unerhebliche‟ (Hans Blumenberg) verschiebt. […] Politisch findet die Moderne ihren Ausdruck im liberalen Konstitutionalismus und steht in einem ambivalenten Verhältnis zu den Religionen, die selbst ein spezifisches Verhältnis zur Welt entwickelt haben.

Vor diesem Hintergrund erscheint es erfreulich, dass dieser Tage die Universitäten Erfurt und Graz ein Graduiertenkolleg zum Thema “Weltbeziehungen” initiiert haben, die sich genau diesem Thema widmet:

Die Beschaffenheit von Weltbeziehungen sagt viel über die jeweilige Kultur aus, die diese prägen. Sie kann uns einerseits Aufschluss geben über unser kulturelles Erbe wie auch andererseits uns über unsere eigenen Praktiken zur Schaffung resonanter – also antwortender – Beziehungen zur Welt aufklären.

Das klingt vielversprechend. Unverkennbar spielt hier der Einfluss des Soziologen Hartmut Rosa hinein, Leiter des Erfurter Max-Weber-Kollegs, und so wird man gespannt sein, ob das Konzept der Resonanz auf diesem Gebiet eine fruchtbare Wirkung zu entfalten vermag.

 

Trennlinie

Der Kommunikationswissenschaftler Kai Hafez von der Universität Erfurt widmet sich in seinem Buch „Freiheit, Gleichheit und Intoleranz“ (2013) u.a der Frage, wo die Trennlinie zwischen der berechtigen Kritik am Islam und der sog. Islamophobie verläuft:

„Die Antwort lautet, dass man ebenso wenig wie man das Judentum für die Handlungen Israels verantwortlich machen kann, den Islam als Erklärung für die Aktivitäten von Terroristen usw. heranziehen sollte.“ (S. 217)

Womit er die Existenz eines völkerrechtlichen anerkannten Staates und Terroranschläge von Islamisten für vergleichbare Phänomene erklärt.

Die Debatte um die Moderne hat noch nicht begonnen

Seit mindestens achthundert Jahren, seit Averroes nämlich, versuchen islamische Intellektuelle, das traditionelle Denken ihrer Zeit für neue Gedanken zu öffnen. Noch jedesmal sind sie gescheitert und daran sind sie selbst nicht ganz unschuldig. Denn die Autorität der Religion über alles, was die Gesellschaft betrifft, haben sie so gut wie nie hinterfragt. Averroes wollte Philosophie und Logik aus dem Koran heraus legitimieren, am Ende geriet er unter erheblichen Rechtfertigungsdruck durch die Almohaden-Herrscher.

Feminisierung abgewendet

Wie “Middle East Online” meldet, lässt der Golfstaat Qatar männliche Schulklassen nicht länger von einer weiblichen Lehrerschaft unterrichten. Koedukativen Unterricht gibt es ohnehin nicht, aber jetzt sollen Jungen nur noch Unterricht von männlichen Lehrern bekommen.

Die Begründung: Der Unterricht durch weibliche Lehrer könne dazu führen, dass die Jungen feminine Verhaltensweisen übernehmen. Diese Auffassung wird nicht etwa durch Studien untermauert, sondern durch einen Verweis auf die Scharia. Qatarische Oppositionelle verurteilten dies als einen gesellschaftlichen Schritt zurück.

Alles nur Übungssache!

Wenn es so etwas wie Religion nicht gibt, wie Peter Sloterdijk meint, sondern nur Übung, “Anthropotechnik”, was müsste dann vorhanden sein, um sagen zu können, es gebe Religion? „Die effektivste Weise, zu zeigen, daß es Religion nicht gibt, besteht darin, selbst eine in die Welt zu setzen.“ Das ist witzig formuliert, sagt aber nichts aus.

Sloterdijks These ist letztlich nicht falsifizierbar, weil sie nirgendwo konkret wird, wenn es um eine schlüssige Definition von Religion geht. Wie denn auch, so der logische Zirkelschluss, es ist doch alles nur Übung, „Komplexe von innen und äußeren Handlungen, symbolische Übungssysteme und Protokolle zur Regelung des Verkehrs mit höheren Stressoren und ‚transzendenten‘ Mächten – mit einem Wort Anthropotechnik im impliziten Modus.“ Und was nicht vorhanden ist, kann auch nicht definiert werden.

Das wirft eine weitere Frage auf: Kann man sich eine Welt vorstellen, die ohne Übung, also ohne geregelte Abläufe auskommt, die einen erheblichen Teil unseres Lebens strukturieren? Wohl kaum. Die Moderne ist eben keine “Hyperscholastik”, weil in der Vormoderne das Leben des einzelnen sehr viel stärker geregelten Abläufen, Übungen also, unterworfen gewesen sein dürfte, als es heute der Fall ist.

Weil Spiridion Louys, Sieger des Marathonlaufs der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit 1896 das Wort Training bis dahin kaum gehört haben dürfte, wertet Sloterdijk dies als Beleg für seine These, „daß sich der größte Teil allen Übungsverhaltens in der Form von nicht-deklarierten Thesen vollzieht.“ Diese auf einer blossen Vermutung ruhende Schlussfolgerung aber ist fragwürdig: Das Wort Training mag unser Marathonläufer nicht gekannt haben, aber möglicherweise das entsprechende neugriechische Wort (προπόνηση).

Wo Empirie und Logik ins Hintertreffen geraten, wird der Weg frei für eine konservative Kulturkritik, so, wenn es heisst, dass der Beseelung der Maschine “strikt proportional” die “Entseelung des Menschen” entspreche. In Maschinen etwas anderes zu sehen als Maschinen, scheint vielen Kulturkritikern nicht möglich zu sein. Hier schlägt die Leugnung der Existenz von Religionen selbst in ein metaphysisches Weltbild um, wozu auch die Halluzination gehört, dass sich die Völker im „Weltvolk des Internets“ aufhöben, um sich in „Medienfitness” zu üben.

Doch das muss nicht bleiben, denn: „Die einzige Tatsache von universaler ethischer Bedeutung in der aktuellen Welt ist die diffus allgegenwärtig gewachsene Einsicht, daß es so nicht weitergehen kann.“ Eine andere Welt ist machbar. Ihr müsst nur fleissig üben.

Peter Sloterdijk: “Du mußt Dein Leben ändern”: Über Anthropotechnik. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2009.

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