Am 25. November 2007, also ziemlich genau vor achtzehn Jahren, fuhr ich von Erfurt, wo ich damals an der Universität arbeitete, nach Berlin, um mit Gleichgesinnten eine deutsche Zweigstelle («chapter») des Hochschulvereins SPME zu gründen, der sich gegen Antisemitismus an Hochschulen einsetzt.
SPME steht für Scholars for Peace in the Middle East und ist für seine Kritiker so etwas wie eine Israellobby an den amerikanischen Universitäten, tatsächlich aber als Solidaritätsnetzwerk für Hochullehrerinnen und -lehrer gedacht, die dafür um ihre Karriere fürchten müssen, dass sie sich dem antiisraelischen geistigen Mainstream explizit verweigern.
Als Solidaritätsnetzwerk versteht es sich von selbst, dass seine Mitglieder sich vornehmlich aus Universitätsangehörigen rekrutieren, die in Forschung und Lehre tätig sind und zugleich einen Bezug zu Israel bzw. dem Nahen Osten haben. Beide Kriterien erfüllten beim Gründungstreffen in Berlin jedoch nur zwei Teilnehmer.
Der eine war ich; der andere der mittlerweile verstorbene Politikwissenschaftler Abraham Ashkenasi. Alle anderen hatten beruflich entweder nichts mit dem Nahen Osten zu tun. Oder sie waren an keiner Hochschule tätig. Damit ich hier nicht falsch verstanden werde: Ich kritisiere nicht die Gründungsmitglieder von damals.
Ich kritisiere diejenigen, die dort hätten sein sollen, es aber nicht waren; Hochschullehrer und Forscher also, die einen Nahost- bzw. Israelbezug in ihrer Tätigkeit haben, sich aber mit dem antiisraelischen Mainstream im akademischen Milieu nicht gemein machen wollen und fürchten, deswegen in Bedrängnis zu geraten. Nun, dachte ich damals, was nicht ist, kann ja noch werden.
Fehlende Verwurzelung an den Hochschulen
Doch dies geschah nicht, SPME Germany war eine Totgeburt. Die erste Zeit tauschte man sich per Email aus, um irgendwie den Kontakt untereinander zu halten. Dann herrschte Funkstille. Als mir eine Vertretungsprofessur mit der Begründung verweigert wurde, für einen Islamwissenschaftler sei ich zu proisraelisch (ja, tatsächlich!), war mir klar, dass SPME Germany mir nicht würde helfen können.
Denn genau mit Blick auf die eigene Existenz hatte ich SPME Germany aus der Taufe gehoben. Zehn Jahre nach der Gründung gab es eine Jubiläumsveranstaltung von der, soweit ich mch erinnere, ich erst hinterher erfuhr. Irgendwelche Leute waren als Referenten eingeladen worden, von denen ich nicht weiss, was sie überhaupt mit SPME zu tun haben. Dann herrschte wieder Funkstille.
Ich habe durchaus versucht, selber aktiv zu werden und in meinem Umfeld für eine Mitgliedschaft bei SPME Germany geworben, wie ich auch intern meine Kritik an der Jubiläumsveranstaltung und überhaupt daran geäussert habe, dass ausser Selbstbespiegelung offenbar nicht viel läuft – sieht man von einem Leserbrief in der FAZ 2018 zur Ruhrtriennale, einer Stellungnahme gegen die «Jerusalem Declaration on Antisemitism» 2021, und einen offenen Brief an den WDR zur Causa Nemi el-Hassan aus demselben Jahr ab.
Aber keine meiner Aktionen war von Erfolg gekrönt und erst als der Vorstand wechselte, keimte neue Hoffnung auf. Vielleicht würde aus SPME Germany doch noch ein Verein werden, der etwas bewirkt, und sei das Ergebnis auch noch so geringfügig. Doch die Hoffnung wurde schnell enttäuscht. Die Vereinigung verblieb in der völligen Irrelevanz und die deutsche Webseite wurde in die der Mutterorganisation überführt.
Es gab eine ausserordentliche Versammlung, auf der die Auflösung des Vereins Ende 2021 besprochen werden sollte, sofern sich kein neuer Vorstand konstituiert, was bedeutet, dass der Verein womöglich seit vier Jahren nicht mehr besteht. Der Webseite zufolge scheint es den Verein zwar noch zu geben; doch wer aktuell im Vorstand sitzt, lässt sich nicht in Erfahrung bringen.
So unbemerkt die Existenz von SPME Germany blieb, so unbemerkt blieb dessen Ende. Es hätte eine grosse Sache werden können.
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