Als passionierter Kampfkünstler habe ich das chinesische Wing Tsun zu einem integralen Bestandteil meines Lebens und meiner persönlichen Entwicklung gemacht. Wie Bruce Lee sagte: „Indem man ganz selbst ist (…), ist das Individuum wichtiger als der Stil.“

Als ich etwa sieben Jahre war, wollte ich Kampfkunst lernen, speziell chinesische Kampfkunstarten, wahrscheinlich beeinflusst durch das „Kung Fu“-Magazin, das ich damals regelmässig verschlang.

Vierzig Jahre lang passierte nichts, bis ich anlässlich seines neuen Buches einen Artikel des österreichischen Schriftstellers Thomas Glavinic in der Sonntagszeitung las, in dem er seine eigene Wing-Tsun-Karriere beschreibt.
Sofort war meine alte Leidenschaft wieder entfacht!
Mein Entschluss stand fest: Ich werde Wing Tsun lernen. Doch bevor ich mich in einer Kampfsportschule anmeldete, musste ich einen Weg finden, täglich zu trainieren. Also überlegte ich und organisierte meinen Tagesablauf entsprechend.

Denn meine Lebenserfahrung ist: Wenn man etwas lernen will, sei es eine Sprache, ein Musikinstrument oder eine Sportart, dann tut man es entweder täglich oder man lässt es bleiben.
Um das Risiko zu minimieren, zu Hause etwas falsch zu lernen, habe ich nach und nach alle Übungen aus dem Unterricht aufgeschrieben. Daraus ist eine Art Lehrbuch entstanden, das mittlerweile einen beachtlichen Umfang von über neunzig Seiten erreicht hat.

Es kommen nicht nur laufend neue Übungen hinzu, sondern bestehende werden auch überarbeitet und erweitert. All das ist Teil meiner Lernstrategie. (Man könnte auch sagen: Ich bin faul und möchte einfach so viel wie möglich in so kurzer Zeit wie möglich lernen.)
Dazu gehört für mich auch das Studium chinesischer Geschichte, Kultur, Religion und Sprache (natürlich im Rahmen meiner begrenzten Zeit). Schliesslich reicht meine Lektüre bis in die späten 1980er Jahre zurück, sodass ich nicht bei Null anfangen musste.

Da ich ein Sprachenfreak bin, war es für mich selbstverständlich, jeden Tag eine gewisse Zeit dem Chinesischlernen zu widmen. Wing Tsun motiviert mich also, Chinesisch zu lernen und Chinesisch motiviert mich, Wing Tsun zu lernen. Was will man mehr?

Wing Tsun bringt viele gesundheitliche Vorteile mit sich. Denn im traditionellen chinesischen Denken ist die Anpassung an den Rhythmus des Universums die Grundlage der Weisheit. In diesem Sinne sagte Yip Man, der Begründer des modernen Wing Tsun, man solle einem Problem niemals frontal begegnen, sondern es durch Schwingen kontrollieren.
Warum sollte man also nicht ganz allein, ohne Partner, trainieren können? Die Antwort kommt von Shaolin-Kung-Fu-Meister Yap Boh Heong, und seine Aussage lässt sich problemlos auf Wing Tsun übertragen: Nur in der Kampfkunst, also im Körperkontakt mit dem Partner, kann man überprüfen, ob die Bewegungen korrekt sind.
So viel zu meiner kleinen Reise. Und obwohl ich erst seit acht Jahren Teil der Wing Tsun-Familie bin, kommt es mir manchmal so vor, als wäre ich schon seit meiner Kindheit dabei. Von Anfang an trainiere ich jeden Tag Wing Tsun und es macht mir immer noch genauso viel Freude wie am ersten Tag.
[Juli 2025; letztes Update: 2. August 2025]